Ernst Mach: Analyse der Empfindungen
Ernst Mach: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen. Ernst-Mach-Studienausgabe, Band 1. Eingeleitet und bearbeitet von Gereon Wolters.
Die Analyse der Empfindungen von Ernst Mach (1838-1916) ist nach mehrfacher Selbstauskunft ihres Autors die gewissermaßen hausgemachte Erkenntnistheorie eines Sinnesphysiologen und Physikers „mit dem lebhaften Wunsche nach Selbstbelehrung“. Man versteht Machs radikale Neubesinnung am Besten, wenn man ihn mit Kant vergleicht. Mach greift Kants kopernikanische Metapher in radikalisierter Form auf: „Wenn wir uns keinen Zwang antun, sehen wir die Erde feststehend, die Sonne aber und den Fixsternhimmel bewegt. Diese Auffassung ist für gewöhnliche praktische Zwecke nicht nur ausreichend, sondern ist auch die einfachste und vorteilhafteste. Die entgegengesetzte [heliozentrische] Ansicht hat sich aber für gewisse intellektuelle Zwecke als die bequemere bewährt. […] Die Zumutung, sich auf der Sonne statt auf der Erde stehend als Beobachter zu denken, ist nun aber eine Kleinigkeit gegen die Forderung, sein Ich für nichts zu achten, dasselbe in eine vorübergehende Verbindung von wechselnden Elementen aufzulösen.“
Die radikale Machsche Wende der Erkenntnistheorie besteht darin, den „philosophische(n) Standpunkt des gemeinen Mannes […] dessen naiven Realismus“ zu verlassen. Mach kritisiert den naiven Realismus als solchen nicht. Er ist ein evolutionär erworbenes „Naturprodukt und wird durch die Natur erhalten“, verdient „höchste Wertschätzung“ und wird von allen eingenommen, solange sie sich nicht mit speziellen erkenntnistheoretischen Problemen befassen. Ausgangspunkt ist die Frage: was passiert eigentlich, wenn wir etwas sehen, hören, tasten, schmecken oder riechen. In der naiv-realistischen Einstellung, die wir alle im Alltag pflegen, sehen wir z.B. einen Gegenstand. Ist das wirklich so? Ist uns der Gegenstand wirklich präsent? Machs Antwort ist: nein! Was uns präsent, gegeben ist, ist eine Sinnesempfindung, vermittelt durch unseren optischen Apparat. Diese Sinnesempfindung interpretieren wir, ohne dass uns dies zu Bewusstsein käme, als einen Gegenstand. Doch wenn wir nüchtern, d.h. ohne Interpretationen anzustellen und ohne Schlüsse zu ziehen, unser Erkenntnisleben betrachten, gibt es dort nur Bewusstseinsinhalte, die Mach provisorisch als „Empfindungen“ bezeichnet. Gegenstände aber, die in der naiv-realistischen Einstellung als empfindungserzeugend betrachtet werden, sind nichts anderes als „Empfindungskomplexe“, genauer: sie sind nur „Gedankensymbole“ (S. 23) für Empfindungskomplexe. Selbst wenn ich so mit der Faust auf den Tisch vor mir schlage, dass sie mir weh tut, ist mir nicht der Tisch gegeben, sondern allenfalls optische Farbempfindungen, optische Formempfindungen, (schmerzhafte) Tastempfindungen, Temperaturempfindungen, akustische Empfindungen u.ä.
Die vorliegende neue Ausgabe der berühmten "Analyse der Empfindungen" enthält neben dem völlig neu durchgesehenen Machschen Text eine ausführliche Einleitung des Bandherausgebers Prof. Gereon Wolters (Universität Konstanz), ferner zahlreiche Anmerkungen und Hinweise zur Begriffen, Personen und Werken, von denen Mach spricht. Die Ausgabe ist damit eine ideale Grundlage zum Studium und hermeneutischen Verständnis dieses Schlüsseltextes der modernen Erkenntnistheorie.
360 Seiten, mit zahlreichen Illustrationen und grafischen Erläuterungen des Autors.
Gebundene Ausgabe (Softcover). ISBN: 978-3-936532-91-3 - 32,00 € (innerhalb Deutschlands versandkostenfrei)